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Amtsblatt-Beilage

So entsteht Bauland

Neu geordnete Grundstücke ermöglichen Wohngebiete


Das Gebiet Hohlgrabenäcker in Zuffenhausen soll zu einem familienfreundlichen Stadtviertel werden. Kartengrundlage Stadtmessungsamt

Rund 1.500 neue Wohneinheiten sollen in Stuttgart pro Jahr bis 2015 laut Beschluss des Gemeinderats entstehen. Aber Bauland ist in der Landeshauptstadt knapp, und wenn es größere, zusammenhängende Flächen gibt, dann setzen sie sich häufig aus ungünstig geschnittenen Grundstücken im Besitz vieler privater Eigentümer zusammen. Um solche Areale überhaupt für Wohnungsbau erschließen zu können, müssen zunächst die Bodenordner vom Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung aktiv werden: Sie teilen die Grundstücke so ein, dass sie sich für eine vernünftige Bebauung eignen. Dabei ist es jedoch notwendig, bereits im Vorfeld die verschiedenen Interessen der Eigentümer, aber auch Anforderungen von Natur- und Umweltschutz zu berücksichtigen. Diese Amtsblatt-Beilage beschreibt, wie aus handtuchbreiten Grundstücken bis zum Jahr 2009 ein neues Wohnviertel wachsen kann.

Neuen Wohnraum für 1000 Menschen schaffen

Größere Gebiete, die sich für den Wohnungsbau eignen, befinden sich meist in der Hand verschiedener Eigentümer. Ein Beispiel ist das Gebiet Hohlgrabenäcker in Zuffenhausen/Zazenhausen: Die einzelnen Grundstücke waren so ungünstig geschnitten, dass sie nicht bebaut werden konnten, im schlimmsten Fall 400 Meter lang, aber nur fünf Meter breit. Dies liegt am traditionellen Erbrecht in Württemberg, der so genannten Realteilung, bei der jeder Nachkomme einen gleichen Anteil des elterlichen Grundstücks erhielt. Solche Flächen müssen also erst komplett neu geordnet werden, bevor sie bebaut werden können. Grundlage dafür ist der Bebauungsplan, den das Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung im Auftrag des Gemeinderats fertigt. Nach dem Aufstellungsbeschluss wird zunächst geprüft, inwiefern die Umwelt beeinträchtigt wird, dann erfolgt die Grünordnungs- und Erschließungsplanung. Erst nach Abschluss dieser Verfahren ist der Bebauungsplan beschlussfähig.

Bereits während des Bebauungsplans beginnt die Arbeit der Bodenordner. Die Fachleute beim Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung, alle Vermessungsingenieure, so genannte Geodäten, haben die schwierige Aufgabe, die unterschiedlichen Interessen und Ansprüche der betroffenen Grundstückseigentümer zu berücksichtigen. Sie teilen das komplette Areal in bebaubare Grundstücke ein und erstellen einen Umlegungsplan, der dann im Amtsblatt veröffentlicht wird und so in Kraft tritt.

Das Baugesetzbuch sieht zwei Verfahren vor, nach denen die Bodenordner vorgehen: das vereinfachte und das Regelverfahren. Bei der vereinfachten Methode werden Grundstücke gegeneinander ausgetauscht, so dass bebaubare Areale entstehen. Beim Regelverfahren bringt der Eigentümer seine Fläche in die Umlegung ein und erhält ein Ersatzgrundstück. Vorteile, die dadurch entstehen, schöpft die Stadt ab. Den Grundstückseigentümern verbleibt allerdings die immense Wertsteigerung von Acker- zu Rohbauland.

Vorbild „Stuttgarter Modell“

Die Umlegung kann als amtliche Wert- oder Flächenumlegung, beziehungsweise amtlich nach einem anderen, freiwillig vereinbarten Maßstab erfolgen; bei letzterer Variante müssen allerdings alle Grundeigentümer mitwirken. In Stuttgart wurden ursprünglich ausschließlich rein freiwillige Umlegungen angewendet. Ihre speziellen Konditionen, zu denen zum Beispiel ein bestimmter Beitrag für sozialen Wohnungsbau gehört, werden in der Fachliteratur „Stuttgarter Modell" genannt.

Inzwischen musste das „Stuttgarter Modell" aus verschiedenen Gründen modifiziert werden, unter anderem deshalb, weil bei der freiwilligen Umlegung seit 1983 eine Grunderwerbsteuer anfällt. Mit dem seit Mai 1993 geltenden Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz schuf der Gesetzgeber Bedingungen, durch die Bauland schneller und kostengünstiger ausgewiesen werden kann. Davon wird inzwischen beim „Erweiterten Stuttgarter Modell" Gebrauch gemacht: Die Eigentümer geben 30 Prozent ihrer Fläche unentgeldlich ab, leisten aber zusätzlich einen Sozialbeitrag in Höhe von 20 Prozent, den die Stadt vergütet. Damit werden zum Beispiel Grundstücke für das Sonderprogramm „Preiswertes Wohnen" gewonnen. Die Eigentümer übernehmen die Verfahrenskosten für Planung, Vermessung, Erschließung, naturschutzrechtliche Maßnahmen und kommen für einen Teil der Folgekosten auf, etwa für die soziale Infrastruktur. Außerdem verpflichten sie sich, ihre Grundstücke innerhalb von fünf Jahren zu bebauen und die Energiesparverordnung deutlich zu unterschreiten.


Handtuchbreite Äcker (oben) werden zu Baugrundstücken umgelegt.

Vom Reißbrett zum Wohngebiet

Ende Juni 2006 beschloss der Gemeinderat den Bebauungsplan für das 15,9 Hektar große Gebiet Hohlgrabenäcker. Er sollte durch ein amtliches Umlegungsverfahren nach einem freiwilligen Maßstab umgesetzt werden. Diese Art der Baulandumlegung wird auch als „Königsweg" bezeichnet, da die Wünsche und Vorstellungen der beteiligten Eigentümer in das Verfahren mit einfließen und berücksichtigt werden.

Die Stadt beauftragte die STEG Stadtentwicklung GmbH mit dem Verfahren. Die STEG bearbeitete unter anderem den Bebauungsplan und verhandelte auch mit den Eigentümern, die sich bereit erklärten, neben dem üblichen unentgeltlichen Flächenbeitrag noch einen weiteren Anteil ihres Grundstücks abzugeben. Diese Areale werden für das Sonderprogramm „Preiswertes Wohneigentum", in geringerem Umfang auch für Mietwohnungen für mittlere Einkommensbezieher oder sozialen Wohnungsbau verwendet. Darüber hinaus müssen die Eigentümer einen Folgekostenbeitrag für die notwendige Infrastruktur leisten und die üblichen Verfahrenskosten tragen. Außerdem wurden im Gebiet Spuren der alten Römerstraße von Bad Cannstatt nach Kornwestheim gefunden, die aufwändig untersucht werden mussten.

Die Erschließungs- und Verfahrenskosten belaufen sich auf rund 13,5 Millionen Euro. Dazu gehören der Straßenbau inklusive Beleuchtung, die notwendigen Lärmschutzeinrichtungen, Grünanlagen, Kinderspielplätze und Entwässerungsanlagen. Diese Summe reicht für 8,6 Kilometer Kabel, rund 25.000 Quadratmeter Asphalt- und Pflasterflächen, zirka 10,5 Kilometer Randsteine und 180 Kanalschächte. Für die Unterführung, die das Neubaugebiet mit Zazenhausen verbindet, zahlen die Eigentümer 70 Prozent, die restlichen 30 Prozent trägt die Stadt.

Nachdem im Juni 2006 die letzten beiden Privateigentümer überzeugt werden konnten, stand der amtlichen Umlegung nichts mehr im Wege. Am 25. Juli 2006 ordnete der Ausschuss für Umwelt und Technik die Umlegung an, der Umlegungsplan trat am 11. Januar 2007 in Kraft. Er besteht aus der Umlegungskarte, die den zukünftigen Zustand des Gebiets ausweist, sowie einem Verzeichnis mit dem neuen Bestand an Bauplätzen und öffentlichen Flächen. Außerdem weist der Plan die Grundstückslasten und erforderlichen Geldleistungen aus. Durch die Umlegung entstehen rund zehn Hektar Wohnbaufläche.

Gestaltungsplan: Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung (Ulfried Ottmann), STEG

Stadt fördert Familien

Mit dem offiziellen Spatenstich am 19. September 2007 begannen die Erschließungsarbeiten für das Gebiet. Ab 2008 können die ersten Einzel- und Doppelhäuser, Reihenhäuser oder Wohnungen gebaut werden, zum Teil mit Hilfe städtischer Förderung, zum Beispiel durch die Programme „Preiswertes Wohnen" oder „Mietwohnungen für mittlere Einkommensbezieher". Die Stadt ist nach Abschluss der Umlegung mit zirka 41 Prozent des Baulandes am Verfahren beteiligt, der Rest befindet sich in privater Hand.

Auf insgesamt fünf städtischen Grundstücken entstehen demnächst zirka 46 Reihenhäuser für Familien mit mindestens einem Kind unter 18 Jahren. Sie profitieren von verbilligten Grundstückspreisen, limitierten Baukosten und zinsverbilligten Darlehen der Landesbank Baden-Württemberg. Auf diese Weise zahlt eine Familie mit zwei Kindern für ein Reihenmittelhaus mit 127 Quadratmetern Wohnfläche insgesamt rund 280.000 Euro, vorausgesetzt, das Einkommen liegt innerhalb der Grenzen des Landeswohnraumprogramms.

Im Gebiet sollen weitere Eigentumswohnungen aus dem Programm „Preiswertes Wohneigentum" entstehen. Zusätzlich stellt die Stadt ein Baufeld für 16 Mietwohnungen für mittlere Einkommensbezieher zur Verfügung. Der Gemeinderat wählt aus, welcher Bauträger den Zuschlag und eine bis zu 45-prozentige Grundstücksverbilligung erhält. Dafür dürfen die maximalen Mieten 7,75 Euro pro Quadratmeter nicht überschreiten.


Reihenhäuser wie in Vaihingen sollen auch im Hohlgrabenäcker entstehen.

Rücksicht auf die Natur

Rund 2,8 Hektar des Gebiets bestehen aus Grünflächen, trotzdem konnten die Vorschriften des Baugesetzbuches dadurch noch nicht eingehalten werden. Es verlangt, dass alle bebauten Bereiche mit Freiflächen kompensiert werden. Deshalb musste außerhalb des Planungsgebiets zusätzlich eine 2,8 Hektar große Freifläche mit Streuobstwiesen ausgewiesen werden. Außerdem wird der Feuerbach im Bereich der ehemaligen Sportanlage Zuffenhausen/Zazenhausen auf 1,5 Hektar renaturiert. Der Hohlgraben als Stadtbiotop bleibt auf diese Weise ebenfalls erhalten.

Das städtebauliche Konzept orientiert sich an der Topographie und an angrenzenden Bebauungsstrukturen. Das gesamte Gebiet gliedert sich durch den Hohlgraben in der Mitte mit seinen Böschungsbereichen in zwei Bauflächen. Die Wohngebäude können überwiegend zweigeschossig und teilweise mit einem zusätzlichen Staffeldachgeschoss errichtet werden. Am westlichen Gebietsrand sollen höhere Wohneinheiten mit einem zusätzlichen Stockwerk entstehen. Dichtere wechselt sich mit lockerer Bebauung aus Einzel- und Doppelhäusern ab. Im östlichen Teil sind Hausgruppen für die städtischen Sonderprogramme vorgesehen. Eine Unterführung unter dem Bahndamm verbindet künftig das Neubaugebiet mit Alt-Zazenhausen.

Beilage im Amtsblatt der Landeshauptstadt Stuttgart und Sonderdruck zur Nummer 19 vom 8. Mai 2008; Stabsabteilung Kommunikation in Verbindung mit dem Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung; Text und Redaktion: Bettina Ries, Gestaltung: Uwe Schumann; Fotos: Stadtmessungsamt (Titel), Ute Schmidt-Contag; Pläne: Stadtmessungsamt (Seite 2), Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung und STEG (Seite 3)

Aus "Amtsblatt-Beilage", vom Donnerstag, 08. Mai 2008
www.stuttgart.de/amtsblatt

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