Es darf bloß nichts kosten...

Das Anruf-Sammeltaxi fährt ab Juni das „vergessene Dorf" an

ZAZENHAUSEN. Als kleinen Schritt in die richtige Richtung, so wertet auch Zuffen-hausens Ortsvorsteher Wolfgang Meyle das Umschwenken der Stadtverwaltung in der Frage der besseren Anbindung Zazenhausens an das öffentliche Personen-nahverkehrsnetz. Ab 1. Juni verkehrt auf der Route der Busfirma Knisel auch ein verbilligter Taxidienst. Doch die Freude wird von der Tatsache getrübt, daß die Stadt selbst hier das absolut billigste Modell ausgewählt hat.

So sollen nämlich für Taxenbenutzer weder die VVS-Fahrscheine gelten, noch wird ein konkreter Fahrplan erstellt. Ein Taxi wird nur dann bereitstehen, wenn es vorher per Anruf bei der Taxizentrale angefordert wurde. Der Vorteil: Die Stadt muß keine Bereitstellungs-kosten bezahlen. Nur die tatsächlichen Kosten sind zu bezahlen.

Damit entfernt sich die Zazenhäuser Variante weit von dem erfolgreichen Korntaler Modell eines Sammeltaxis. Seit September 1987 hat die Stadt im Strohgäu ihren Stadtteil Münchingen per Taxi besser angebunden. Ein exakter Fahrplan wurde ausgearbeitet, doch dieser wird nur eingehalten, wenn vorab angerufen wird. Inszwischen hat der Gemeinderat von Korntal-Münchingen ob der guten Resonanz einer Verlängerung des Modells zugestimmt.

Schwerwiegender im Falle Zazenhausens ist die Tatsache, daß die VVS-Karten (die übrigens heute von der Firma Knisel anerkannt werden) für das Taxi nicht gelten sollen. In Korntal ist dies der Fall, und nach Aussagen der dortigen Verantwortlichen, ausschlag-gebend für den Erfolg des Modells.

Will jedoch ein Zazenhäuser etwa mit der letzten S-Bahn aus Stuttgart kommend (wenn er bereits 2,40 Mark = 1,23 € bezahlt hat), per Taxi heimfahren, muß er weitere drei Mark = 1,53 € (Kinder nur 1,50 Mark = 0,77 €) hinlegen. Die Stadt argumentiert, eine reguläre Fahrt koste durchschnittlich zehn Mark = 5,11 €. Drei Mark = 1,53 € zusätzlicher Aufwand seien also durchaus zu vertreten.

Der Bezirksbeirat Zuffenhausen diskutierte in seiner jüngsten Sitzung ausführlich und reichte dann den Antrag mit der Ergänzung weiter, daß auf den VVS-Schein nur noch die Differenz zu drei Mark = 1,53 € zu entrichten sei. Der Verwaltungsausschuß des Stuttgarter Gemeinderats jedoch blieb bei dem vom Referat Städtebau entworfenen Modell.

Nun soll ab 1. Juni - vorerst für ein Jahr - das Anruf-Sammeltaxi fahren, das freilich den Zusatz „Sammel" zu unrecht trägt. Denn, wo kein konkreter Fahrplan existiert und die Abfahrt willkürlich festgelegt wird, kann sich auch nichts ansammeln. Sollte der Versuch, der die Stadt rund 30.000 Mark = 15.339,- € im Jahr kosten wird, erfolgreich verlaufen, hat man den Zazenhäusern in Aussicht gestellt, daß ab 1989 ein Linien-Ersatztaxi fahren wird. Doch die Medaille hat zwei Seiten: Wenn der Taxidienst ohne Resonanz bleibt, wird das Zazenhäuser Modell schneller verschwinden als es brauchte, um endlich durchgesetzt zu werden.

Von tb, aus unbekannter Zeitung, Mai 1988
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