Der letzte Lebensmittelladen schließt

Trifft die Zazenhäuser selbst eine Schuld
an der Geschäftsaufgabe von Hans Häussler?

ZAZENHAUSEN. Seit ein paar Wochen herrscht Unruhe in Zazenhausen. Grund ist dieses Mal nicht das viel- und oft gefeierte 1200jährige Jubiläum, sondern die am 27. Mai bevorstehende Schließung des Lebensmittelgeschäfts in der Schertelstraße. Falls nicht noch schnell ein neuer Pächter gefunden wird, würde somit erneut eine schwere Lücke in der Versorgungssituation der kleinen Gemeinde entstehen. Und genau das sorgt in Zazenhausen für große Aufregung.

Sorgen dürften sich vor allem diejenigen machen, die nicht die Mobilität besitzen, in benachbarte Stadtteile zum Einkaufen zu fahren. Dazu gehören in erster Linie ältere Menschen. Doch bei der schlechten Verkehrsverbindung Zazenhausens ist eigentlich jeder betroffen. Die Brötchen für das Frühstück könnte man sich noch beim Bäcker holen, doch schon bei der Zeitung wird es schwierig.

Richtig einkaufen gehen die Zazenhäuser im eigenen Ort längst nicht mehr. Früher gab es mehr als nur den einen Konsum, dazu Getränkehandel und Drogerie, und alle konnten sie auch von ihrem Gewerbe leben. Nach und nach mußten die Geschäfte schließen. Egal, ob es der eine oder andere wirklich nötig hat, eingekauft wird heutzutage dort, wo Gemüse, Milch oder Konserven die kleinste Zahl auf dem Preisschild tragen. Zur Bank oder Post genügt auch der kurze Weg in Zazenhausen, handelt doch jedes Postamt mit den gleichen Tarifen. Daraus ist eben kein Sport zu machen, so zumindest will es einem manchmal erscheinen.

Insofern sollten sich die Zazenhäuser auch an die eigene Nase fassen, wenn es für keinen Geschäftsmann attraktiv erscheint, in Zazenhausen in den Lebensmittelhandel einzusteigen. Zurückhaltend zeigte sich dieses Mal auch der Bürgerverein. Als im November 1985 die Firma Coop das Haus Schertelstraße 13 an den Privatmann Hans Häussler verkaufte, setzte sich der Verein mit allen Mitteln für eine Fortführung des bestehenden Ladens ein. Viele Zazenhäuser sagen jetzt, daß der neue Pächter in erster Linie selber für seinen Ruin verantwortlich sei. Staubbedeckte Wären locken keinen Kunden an, und für die potentiellen Kunden gibt es sicherlich auch Wichtigeres als Haifischflossensuppe oder Kaviar. Am Problem der Unterversorgung ändert dies nichts.

Der Bürgerverein schien sich mit etwas abgefunden zu haben, was noch lange keine Tatsache ist. Laut Hans Häussler gibt es wohl einen neuen Interessenten. Nur einen Namen wollte er nicht nennen, denn unterschrieben ist noch nichts. Die Initiative des Bürgervereins ging dahin, vielleicht beim Bäcker oder Metzger eine Sortimentserweiterung zu erreichen, was wohl nur eine halbe Alternative ist, ohne entsprechende Räumlichkeiten oder Personal.

Der zweite Gedanke ging in Richtung „Laden auf Rädern". Wie bereits anderswo praktiziert, sollte versucht werden, jemanden zu finden, der zu bestimmten Terminen stundenweise Waren aus dem Wagen verkaufen würde. Hans Häussler, immerhin Vermieter der Geschäftsräume, verwundert es zwar nicht, wie gut die Gerüchteküche in Zazenhausen zu funktionieren scheint. Doch Behauptungen, er habe vor, einen Videoladen zu eröffnen, weist er von sich. Die Verbindung Video-Porno kann ihm dann nur noch ein Kopfschütteln entlocken.

Die Räumlichkeiten, die ihm ohne den Laden zur Verfügung stehen, reichen für seine Arbeit im Bereich der Industrie-Video-Dia- und -Tonproduktionen aus. Wichtig für die Existenz eines Lebensmittelgeschäftes in Zazenhausen wird auch die angestrebte Ortserweiterung sein. Das generelle Einkaufsverhalten wird sich durch Neubaugebiete und den Zuzug weiterer Bewohner allerdings nicht ändern.

Allein im Interesse der älteren Mitbürger sollten die Zazenhäuser sich bereits bemühen, Geschäftsaufgaben in ihrer Gemeinde zu verhindern. Vielleicht verlockt auch ein neuer Pächter dazu, mal im Laden um die Ecke einzukaufen. Eine Erhöhung der Einwohnerzahl bringt auf jeden Fall einige Leute mehr, die auf ihrer Einkaufs(tor)tour in den geliebten Einkaufszentren anderer Stadtteile diese oder jene Kleinigkeit vergessen haben: „Jetzt geht mir doch gerade der Zucker für meinen Kaffee aus. Gut, daß der Konsum noch auf hat" -wenigstens bis kommenden Freitag!

Von sk, aus einer Zeitung Mai 1989

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