Neue Brücke soll Remsecker Verkehrsprobleme lösen

Regierungspräsidium stellt Pläne für dreispurige Neckarüberquerung vor -
Spätere Integration in Nordostring möglich

REMSECK/STUTTGART. Bis zum Jahr 2009 soll am Klärwerk von Stuttgart-Mühlhausen eine dreispurige Brücke über den Neckar entstehen. Das zwölf Millionen Euro teure Bauwerk werde die Remsecker Brücke um 10 000 Autos am Tag entlasten, sagen die Planer.

Für die einen ist die Brücke der Einstieg in den Bau eines Nordostrings, für die anderen macht sie genau diesen überflüssig: Das Land möchte auf Höhe des Klärwerks bei Stuttgart-Mühlhausen eine zusätzliche Neckarquerung bauen. Sie soll die stark befahrenen Landesstraßen 1100 und 1197 verbinden und eine zusätzliche Ost-West-Tangente zwischen den Räumen Waiblingen/Fellbach und Ludwigsburg/Kornwestheim schaffen.

„Wir präjudizieren nichts, sondern wir machen, was alle für richtig halten", sagte der Regierungs-präsident Udo Andriof nach einem Treffen mit den Oberbürgermeistern der betroffenen Städte. Die Brücke soll nach den Plänen des Regierungspräsidiums genau dort über den Neckar führen, wo auch die Planer des im vergangenen Jahr vorerst gescheiterten Nordostrings ein Brückenbauwerk vorgesehen hatten: Angeschlossen wird es über das bestehende Straßennetz. Auf der Landesstraße 1100 zwischen Mühlhausen und der Umgehung bei Remseck-Aldingen (Kreis Ludwigsburg) würde der Verkehr dadurch auf 36.000 Fahrzeuge am Tag zunehmen. „Das ist für eine zweispurige Verkehrsführung zu viel", sagte der Leiter des Referats für Straßenplanung beim Regierungspräsidium, Andreas Hollatz. Der Abschnitt soll deshalb für weitere zwei Millionen Euro vierspurig ausgebaut werden.

Die Experten rechnen, dass täglich 23.400 Fahrzeuge den Neckar über die neue Brücke überqueren werden. Dies würde die nördlich gelegene Brücke bei Remseck-Neckarrems um 10.500 Fahrzeuge am Tag entlasten. Dort werden gegenwärtig 32.500 Autos und Lastwagen am Tag gezählt. Schon jetzt sind Staus an der Tagesordnung, bis zum Jahr 2010 werden 37.000 Fahrzeuge prognostiziert.

Auch die südlich gelegene Neckarbrücke bei Stuttgart-Hofen würde um 4800 Fahrzeuge entlastet. Zunahmen gäbe es demnach vor allem auf den Umgehungsstraßen von Remseck-Aldingen (plus 4800) und Fellbach (plus 4600). Für den Waiblinger Stadtteil Hegnach hielte sich die zusätzliche Belastung hingegen in Grenzen. Hier prognostizierte das beauftragte Verkehrsbüro eine Zunahme um 1400 Autos am Tag. „Wir waren selbst überrascht, dass es so wenig ist", sagte Hollatz. Der Oberbürgermeister von Waiblingen, Werner Schmidt-Hieber, kündigte jedoch an, dass seine Stadt diese Zahlen überprüfen werde. "Es darf in Hegnach auf keinen Fall mehr Verkehr entstehen. Es sollte im Gegenteil zu einer Verbesserung der Lage kommen", sagte Schmidt-Hieber. Andriof deutete an, dass hier der Bau einer kurzen Umgehungsstraße Abhilfe schaffen könnte.

Nach dem Scheitern des vierspurigen Nordostrings, der 2004 im Bundesverkehrswegeplan als ökologisch problematisch eingestuft und mit einem Planungsverbot belegt worden war, sieht Andriof nun eine „wirkliche Realisierungschance". Der vierspurige Nordostring sei nach seiner Ansicht nach wie vor die beste Therapie für die Verkehrsprobleme im Stuttgarter Nordosten. Doch auch nach einem möglichen Regierungswechsel in Berlin stehe in den Sternen, wann der Bund dafür Geld zur Verfügung stellen werde. Die Neckarquerung liege sich mit Landesgeldern „zeitnah" verwirklichen. im Herbst will er in die Anhörung der Träger öffentlicher Belange eintreten. Das Planfeststellungsverfahren könnte dann im Jahr 2007 abgeschlossen und mit dem Bau begonnen werden. Dafür veranschlagt die Behörde etwa zwei Jahre.

In einen Nordostring könnte die Brücke später mühelos integriert werden. Die dritte Spur würde zum Standstreifen, neben der Brücke würde ein Schwesterbauwerk mit weiteren zwei Spuren und Standstreifen gebaut. Das allerdings ist momentan nur eine Fantasie des Regierungspräsidenten.


Statt über den umstrittenen vierspurigen Nordostring soll die geplante Neckarbrücke
über das bestehende Straßennetz angebunden werden. (StZ-Grafik)

„Kein Einstieg in Nordostring"

Reaktionen auf den Vorschlag


REMSECK/STUTTGART (kew). Die Pläne des Regierungspräsidiums für eine zusätzliche Neckarquerung stoßen bei den betroffenen Städten überwiegend auf ein positives Echo.

„Ich finde es sehr gut, dass das Regierungspräsidium den Mut hatte, das Problem noch einmal anzugehen", sagte der Oberbürgermeister Karl-Heinz Schlumberger von Remseck im Kreis Ludwigsburg: „Wir in Remseck sind die Hauptbetroffenen. Alle erkennen an, dass die Situation, die wir hier an meiner Neckarbrücke in Neckarrems haben, nicht geht. Da gibt es nur zwei Möglichkeiten. Wir können den Kopf in den Sand stecken oder wir gehen das Problem an. Die Brücke ist ein erster Schritt und sorgt für eine Entlastung in Neckarrems. Das ist auch für unsere Planungen einer Neuen Mitte hilfreich."

Die Waiblinger Baubürgermeisterin Birgit Priebe wies daraufhin, dass es bei den Gesprächen nur um eine Brücke und nicht um einen Einstieg in den Nordostring ging. Gegen eine solche Neckarquerung habe Waiblingen nicht grundsätzlich etwas. Es gebe aber zwei Knackpunkte. „Erstens: die Waiblinger Westumgehung darf nicht so stark belastet werden, dass es eine Rückverlagerung in die Innenstadt gibt. Zweitens darf sich die Situation für Hegnach nicht verschlechtern. Momentan wird eine kleine Verkehrszunahme durch den Brückenbau prognostiziert. Diese Zahlen werden wir überprüfen. Wenn eine Umfahrung notwendig wird, muss es ein Tunnel sein."

„Noch viele Kritikpunkte und Fragezeichen" sieht der Oberbürgermeister Christoph Palm von Fellbach (Rems-Murr-Kreis). „ Aber unter vorläufiger Zurückstellung ihrer Bedenken wird sich die Stadt Fellbach einem Dialog nicht entziehen. Die neue Neckarbrücke darf aber kein Einstieg in den Bau eines Nordostrings sein." Grundsätzlich positiv sei es, „dass man im Regierungspräsidium für den Fall des Brückenbaus die Notwendigkeit verkehrslenkender Maßnahmen etwa bei Oeffingen sieht und weder Fellbach noch Waiblingen durch das vorgestellte Verkehrsbauwerk überproportional belastet werden soll."

Freude herrschte bei der Industrie- und Handelskammer. „Wenn die große Lösung nicht geht, sind wir auch mit dieser kleinen Lösung zufrieden", sagte der Leitende Geschäftsführer der IHK Ludwigsburg, Jochen Haller. Gut sei, dass die Option auf den Nordostring erhalten bleibe.

Die Arge Nordost, ein Zusammenschluss von Bürgerinitiativen, die sich für die Erhaltung von Freiflächen im Stuttgarter Nordosten einsetzt, warnte vor einer großräumigen Verschlechterung der Luft durch den nun möglichen Einstieg in den Nordostring. Der Vorsitzende der Arge, Joseph Michl: "Herr Andriof liegt völlig daneben. Heute ist der Nordostring sinnloser und schädlicher denn je. Insgesamt nimmt der Verkehr nicht mehr zu oder geht sogar zurück. Völlig inakzeptabel ist zudem, dass dies alles weit gehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit geschieht. Der Nordostring würde ökologisch hochwertige Gebiete zerstören, wie in den Gutachten des Regierungspräsidiums nachgelesen werden kann."

Von Eberhard Wein und kew
Stuttgarter Zeitung vom 21.06.2005
www.stuttgarter-zeitung.de

 [ zur Homepage ] [ Schließen ]