Die Redlichkeit der Politik in Frage gestellt

Fellbach. Der ehemalige OB Friedrich-Wilhelm Kiel ist enttäuscht von den Politikern: Auch Mitglieder seiner Partei stehen beim Thema Nord-Ost-Ring im „Verdacht der Unredlichkeit".

Auch wenn Innenminister Heribert Rech derzeit zurückrudert mit seinen Aussagen zum Nord-Ost-Ring, so sieht der ehemalige Fellbacher Oberbürgermeister Friedrich-Wilhelm Kiel doch viel Vertrauen verspielt. Auch Politiker der eigenen Partei hat der frühere FDPLandesvorsitzende im „Verdacht der Unredlichkeit": Die hohen Herren, sagt er, „haben entweder bewusst die Unwahrheit gesagt, also gelogen, oder sie haben sich nicht ausreichend um die Angelegenheit gekümmert. Insbesondere für Abgeordnete und Minister wäre das in einer so wichtigen Angelegenheit gleichermaßen unentschuldbar".

Gemeint sind der Hauptgeschäftsführer der IHK Stuttgart, Andreas Richter, von dem Kiel vermutet, dass es ihm egal sei, wenn künftig der Fernverkehr noch mehr Staus vor dem Kappelbergtunnel produziert. Oder der frühere Regierungspräsident Udo Andriof, der nach Kiels Ansicht „im Zusammenhang mit einer Spende der IHK Stuttgart der Öffentlichkeit bewusst die Unwahrheit sagte". Oder der amtierende Regierungspräsident Johannes Schmalzl, der lauthals verkündete, ein vierspuriger Nord-Ost-Ring sei kein Thema mehr, obwohl er, so Kiel, „wissen musste, dass ein zweispuriger Nord-Ost-Ring nur der Vorläufer einer vierspurigen autobahnähnlichen Straße sein würde". Oder Innenminister Heribert Rech, der vor einem Jahr das Schmidener Feld für unantastbar erklärt hat, obwohl er „schon damals wusste, dass das Land letztlich nur einen vierspurigen Nord-Ost-Ring will". Kiel: „Auch er hat bewusst den Menschen Sand in die Augen gestreut". Oder der stellvertretende Ministerpräsident und Justizminister Ulrich Goll (FDP) der jeden Hinweis, insgeheim werde mit dem Planfeststellungsverfahren ein anderes Ziel verfolgt als das angegebene, „ins Reich der Märchen verwies". Und einige der Betroffenen geben sich jetzt überrascht, sagt Kiel: „Sie wollen nichts davon gewusst haben, dass die neue Neckarquerung als Einstieg in einen vierspurigen Nord-Ost-Ring gedacht ist, obwohl alle Fakten, die von engagierten Bürgern öffentlich dargelegt wurden, schon von Anbeginn des Planfeststellungsverfahrens nur diesen Schluss zuließen".

Hochrangige Politiker und Beamte „sagten uns in aller Öffentlichkeit und im Brustton der Überzeugung sinngemäß: Der vierspurige Nord-Ost-Ring ist längst tot". Wenn jetzt der Innenminister zugebe, dass man nach wie vor den vierspurigen Nord-Ost-Ring wolle, „dann erzeugt das Wut auf unredliche Landespolitiker und Landesbeamte und ein Kopfschütteln über allzu leichtgläubige Kommunalpolitiker", sagt Kiel.

Er sieht in dem, was er im November vergangenen Jahres in einem Gespräch mit dem Staatsminister Wolfgang Reinhart vorgetragen hat, noch immer eine Lösung vor, wie verloren gegangenes Vertrauen vielleicht wieder zurück gewonnen werden kann. Voraussetzung wäre aber, dass der Nord-Ost-Ring aus dem Bundesverkehrswegeplan herausgenommen werde, das laufende Planfeststellungsverfahren für die Neckarbrücke eingestellt und an einem runden Tisch eine einvernehmliche Lösung für einen Landesstraßenbau gefunden werde. Und ganz nebenbei fragt sich nicht nur Kiel: „Wie steht wohl unser Ministerpräsident zum Bau dieser unsäglichen, autobahnähnlichen Straße unter dem Gesichtspunkt des von ihm glaubwürdig vertretenen Ziels eines baldigen Null-Flächenverbrauchs, um den Erhalt noch vorhandener Freiflächen zu sichern?".

Von Gerhard Brien, Fellbacher Zeitung vom 01.07.2009
www.stuttgarter-nachrichten.de

 [ zur Homepage ] [ Schließen ]