Brückenplanung als Trauerspiel

THEMA: Landesbehörde blamiert sich zum dritten Mal bei Neckarquerung

Dass es dieser Tage auf den Straßen in und um Stuttgart relativ flüssig rollt, ist nicht normal. Möglich ist dies, da die Kurzarbeiter derzeit nicht zur Arbeit fahren und viele Familien wegen Pfingsten verreist sind. Normal ist, dass Stuttgart und die Region im Stau ersticken. Die großen Sorgenkinder sind der Nordosten und die Filder.

Im chronisch verstopften Nordosten ruhen die Hoffnungen auf der geplanten neuen Neckarbrücke bei Aldingen. Doch die Planungen für diese Flussquerung werden immer mehr zum Desaster für das Regierungspräsidium. Dreimal schon hat die Landesbehörde ihre Pläne auslegen müssen. Zweimal gab es eine öffentliche Anhörung. Anschließend wurden die Papiere überarbeitet. Nun droht auch die dritte Runde zum Flop zu werden. Erneut gibt es berechtigte Kritik. Denn begründet wird die Notwendigkeit einer neuen Querung damit, dass die bisher schon bestehende Neckarbrücke bei Neckarrems mit 34.500 Fahrzeugen pro Tag völlig überlastet sei. Diese Zahl basiert aber auf einer Hochrechnung aus dem Jahr 2005.

Die Brückengegner Fellbach und Kornwestheim haben diesen Schwachpunkt genutzt und eine aktuelle Verkehrszählung in Auftrag gegeben. Ergebnis: Im Mai 2009 fuhren binnen 24 Stunden nur 28.900 Fahrzeuge - 16 Prozent weniger als die Behörde am Schreibtisch berechnet hatte. Das kommt einer Todsünde gleich, denn korrekte Verkehrszahlen sind das A und O jedes Straßenbauprojekts.

Damit nicht genug: Der Fellbacher Alt-OB Friedrich Wilhelm Kiel hat von Verkehrs-Staatssekretär Rudolf Köberle (CDU) einen Brief bekommen. Darin schreibt Köberle, denkbar sei es, „in einem ersten Schritt" nur einen zweispurigen Nordostring anzupeilen. Dieser Satz kratzt an der Glaubwürdigkeit von Regierungspräsident Johannes Schmalzl (FDP). Der hatte versprochen, dass ein vierspuriger Nordostring (der - um in der Köberle-Logik zu bleiben - dann logischerweise der zweite Schritt wäre) definitiv vom Tisch sei. Mit solch widersprüchlichem Vorgehen wird das Land bei den Bürgern kein Vertrauen gewinnen.

Wie aber soll nun der Weg aus dem Stau führen? Möglich ist dies nach wie vor nur mit einer leistungsfähigen durchgehenden Straßenverbindung zwischen der B 27 und der B 14 im Nordosten. Das Regierungspräsidium muss dieses Ziel im übergeordneten Interesse der Region weiter verfolgen. Denn auch 28.900 Fahrzeuge führen zum Stau. Das Land muss somit endlich eine konsensfähige Lösung für einen Nordostring, aber auch für eine neue Auffahrt vom Neckartal (B 10) zu den Fildern (A 8) finden. An einer dritten Erörterung zur Neckarbrücke wird es kaum vorbeikommen.

Eine richtig große Lösung wird es indes nicht mehr geben. Diese Chance hat die CDULandesregierung unter Lothar Späth vertan, als die in den 80er Jahren geplante Neckar-Alb-Autobahn im Nordosten von Stuttgart am Widerstand der Bevölkerung scheiterte. Auch beim Nahverkehr auf der Schiene fehlt im Nordosten bis heute eine Tangentiale. Die neu aufgekommene Idee einer Stadtbahnlinie von Markgröningen über Ludwigsburg bis Waiblingen ist daher gut. Ihr Kosten-Nutzen-Faktor dürfte trotz immenser Baukosten weit höher liegen als bei der schon beschlossenen S-Bahn-Linie von Backnang nach Marbach.

Von Frank Schwaibold (Ressortleiter Region Stuttgart), Stuttgarter Nachrichten vom 30.05.2009
www.stuttgarter-nachrichten.de

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