OB Palm und Umweltschützer
lehnen die geplante Neckarquerung ab

Regierungspräsidium beharrt bei Erörterungstermin
auf Brückenbau südwestlich von Aldingen

Fellbach. Die geplante Neckarbrücke südwestlich von Aldingen traf bei der gestrigen Erörterungsverhandlung auf heftigen Widerstand. Vertreter der Stadt Fellbach und Umweltschützer kritisierten den Landverbrauch der Straße. Sie wird als Einstieg in den Nord-Ost-Ring betrachtet.

Wer auf weiteres Entgegenkommen des Regierungspräsidiums gegenüber Fellbach gehofft hatte, wurde gestern in der Schwabenlandhalle enttäuscht. Die vor Monaten auf zwei Spuren plus Feld- und Radweg abgeschmolzene Neckarbrücke südwestlich von Aldingen mit anschließender Straße über freies Feld nach Oeffingen will der Chefstraßenplaner Achim Hollatz nun bauen. Er hatte sich bei der ersten Erörterungsverhandlung im vergangenen Jahr heftiger Kritik ausgesetzt gesehen und sieht die nunmehr vorliegende Planung als „tragfähigen Kompromiss" an: „Wir haben viele Änderungsvorschläge aufgenommen", sagte der Präsidiumsbeamte.

Zwölf Varianten sind nun insgesamt diskutiert worden. Alle Alternativen zur Neckarbrücke südwestlich von Aldingen lehnt Hollatz aber ab: Sie seien nicht leistungsfähig, entlasteten die geografische Ortsmitte Remsecks nicht vom Autoverkehr oder belasteten andere Ortsteile mit Lärm, wie etwa das Wohngebiet Schlossberg. Dies stört Hollatz auch an der von Fellbach favorisierten, nach ihrem Erfinder sogenannten Billinger-Variante. Diese ist parallel zur bestehenden Brücke geplant, aber um etwa 400 Meter näher an Aldingen gerückt. Oberbürgermeister Christoph Palm findet sie überzeugender: „Das einzige Argument dagegen lautet: Remseck will es nicht." Doch auf einem solchen Nein könnten die Städte Fellbach und Kornwestheim genauso beharren. „Es geht uns aber nicht um die eine Billinger-Variante, sondern um ein breites Spektrum, um Verkehrsbelastungen zu verteilen. Die Stadt Fellbach ist bereit, in gewissem Umfang Mehrbelastungen unseren Bürgern zuzumuten," zeigte sich OB Palm kompromissbereit.

Ob Hollatz und seine Mannschaft richtig zwischen den Varianten abgewogen haben, muss eine andere Abteilung des Regierungspräsidiums entscheiden. Für sie saß Michael Trippen gestern als Verhandlungsführer auf dem Podium. Dass er und seine Mitarbeiter unvoreingenommen und ergebnisoffen entscheiden werden, wie Trippen nicht müde wurde zu erklären, bezweifelten viele Redner, auch Palm. Denn Trippen und Hollatz arbeiten nicht nur in der gleichen Mammutbehörde. Beider Chef, Regierungspräsident Johannes Schmalzl, hat im Vorfeld schon erklärt, die neue Neckarbrücke auf jeden Fall bauen zu wollen. „Das muss für die Mitarbeiter des Regierungspräsdiums als Marschbefehl verstanden werden", sagte der Umweltschützer Joseph Michl, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft gegen den Nord-Ost-Ring (Arge).

Gestern haben sich Straßenplaner des Regierungspräsidiums, Umweltschützer und Städtevertreter nach den Reden der Oberbürgermeister aus Fellbach, Remseck, Waiblingen und Kornwestheim in Details verbissen und Futter für einen Gang vor die Gerichte geerntet. Nach gezielten Nachfragen, besonders kenntnisreich von Fellbachs Tiefbauamtsleiter Wolfgang Schmidt und von Joseph Michl, kam unter anderem Verkehrsplaner Schröder ins Schwitzen. Er konnte nicht erklären, warum laut seinem Gutachten nach dem Bau der zweiten Brücke auf beiden Querungen zusammen weniger Lastwagen fahren, als bisher schon auf der bestehenden, stauträchtigen Strecke, nämlich 5150 Lastwagen in 24 Stunden statt bisher 5690 täglich. „Ich habe immer noch nicht verstanden, wo die Lastwagen bleiben", sagte Rechtsanwalt Schütz, der Vertreter von Altoberbürgermeister Friedrich-Wilhelm Kiel und der Arge, und drohte rechtliche Konsequenzen an, denn auf diesem Gutachten beruht die Straßenplanung wesentlich: „Entweder das Gutachten ist falsch, oder wir haben ein Fernwirkungsproblem, das nicht aufgeführt ist."

Heute geht die Erörterung in der Schwabenlandhalle weiter. Unter anderem muss Verkehrsplaner Schröder dann die geforderten Erklärungen nachliefern, gab ihm Verhandlungsleiter Trippen auf. Außerdem werden Umweltschutzaspekte beleuchtet.

 Kommentar

Wenig überzeugend

Von Hans-Dieter Wolz

Einen ganzen Tag haben die Straßenplaner des Regierungspräsidiums nun erneut für die Bürger Zeit genommen. Dass sie deren Argumente wirklich ernst genommen haben, haben sie aber nicht vermitteln können. Wirklich überzeugen, die besseren Argumente zu haben, konnten sie auch nicht. Die meisten Bürger sind unzufrieden nach Hause gegangen.
Es bleibt nach stundenlanger Diskussion: Die gewählte Variante für eine Neckarquerung verbraucht am meisten Land. Was sie Bürger an einer Straße von Verkehrslärm entlastet, bürdet sie den Anwohnern anderer Straßen wieder auf. Wer auf Entlastung hofft, wie Waiblingens OB Andreas Hesky, wird enttäuscht. Hegnach muss in der Ortsdurchfahrt nach dem Brückenschlag über den Neckar sogar mehr Verkehr verdauen.
So verfestigt sich der Eindruck: Entgegen der Beteuerungen ist der geplante Brückenstandort nicht der beste, sondern derjenige, der sich am besten zum Nord-Ost-Ring verlängern lässt. Diese Planung ist eine Mogelpackung.

Von Hans-Dieter Wolz, Fellbacher Zeitung vom 16.07.2008
www.stuttgarter-nachrichten.de

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